Der historische Orgelzyklus No. 4 im Landkreis Straubing-Bogen am Sonntag, 22. 8. 2021, 16 Uhr, fand St. Georg in Frauenhofen bei Perkam statt.
"Die Frauenhofener hätten es mit den Pelikanen" und "der Pelikan, der seinen Nachwuchs mit seinem eigenen Blut nähre, sei ein wunderbares Zeichen für Christus" - so Bischof Rudolf Voderholzer anl. des 300-jährigen Jubiläums zur Erbauung der Kirche St. Georg in Frauenhofen. Das schrieben Straubinger Tagblatt und Allg. Sonntagszeitung Ende April 2019. Pelikan, eigenes Blut? Das fordert zur Recherche heraus.

 

PelikaneIn der Antike glaubte man, dass der Pelikan seine Jungen mit Blut aus einer selbst zugefügten Wunde im Brustbereich füttert. 

Andere Legenden erzählen, dass der Pelikan mit Tropfen seines Blutes auch tote Vögel seiner Brut wieder zum Leben erweckte.

So wurde der Pelikan zum Symbol der Aufopferung.

Allerdings lässt sich bisher kein konkreter Beleg - etwa eine figürliche Darstellung - für diese Legende finden.

220px Prometheus and Atlas Laconian black figure kylix by the Arkesilas Painter 560 550 BC inv. 16592 Museo Gregoriano Etrusco Vatican Museums DSC01069Für eine andere Legende gibt es derartiges schon: Prometheus ist in der griechischen Mythologie ein Sohn aus dem Göttergeschlecht der Titanen. Er brachte den Zorn des Göttervaters Zeus auf sich, der ihn an eine Säule fesseln ließ und auf eine besonders qualvolle Weise folterte: täglich wurde ihm die nachwachsende Leber seines Körpers von einem Adler weggefressen.

Bild aus den Vaticanischen Museen

 

 

 

 

Die christliche Ikonographie verwendete des Blut opfernden Pelikans als ein Symbol für Jesus Christus, etwa in Frauenhofen im Altarbild und dem Pelikan über dem Tabernakel. Die Filialkirche St. Georg in Frauenzell, Pfarrei Perkam, oberhalb Hirschling gelegen, feierte im Jahr 2021 ihr 300-jähriges Bestehen. Der Organist der Kirche erstellte aus diesem Anlass einen Kirchenführer:

AlterbildFh Kopie

1224 Erstmalige Erwähnung von Frauenhofen und Hirschling als Nebenkirchen der Pfarrei Feldkirchen (Pfarrverband Alburg)
13. Jhdt. Errichtung der Vorgängerkirche in Frauenhofen
1721 Die ursprüngliche kleinere Kirche in West-Ost-Richtung wird abgetragen - Bau und Einweihung der heutigen Filialkirche Sankt Georg in Frauenhofen
1796 Frauenhofen-Hirschling wird in die Pfarrei Perkam eingepfarrt (bis dahin Feldkirchen)
1863 Die Kirchenmatrikel Perkam-Thalkirchen listet 1.279 Seelen sowie die Pfarrkirche
Perkam mit den Filialen Frauenhofen, Hirschling, Pönning
2020 Die Pfarrei Perkam zählt 1.643 Katholiken in Perkam, Pilling, Pilling-Siedlung, Radldorf, Pönning, Wallfahrtskirche Antenring, Oberhart hausen, in Frauenhofen u. Hirschling 108 Katholiken
Die Beschreibung des barocken Hochaltars nennt als Altarblatt eine Darstellung des Hl. Georg. Der Kampf gegen den Drachen ist in diesem Foto hinter dem Pelikan nur zu erahnen:

Drachenkampf

 

 

St thomas aquinasVon Thomas von Aquin, 13. Jahrhundert, stammt der Hymnus "Gottheit, tief verborgen". Selten hat man die sechste Strophe von gesungen:
Gleich dem Pelikane starbst du, Jesu mein; wasch in deinem Blute mich von Sünden rein. Schon ein kleiner Tropfen sühnet alle Schuld, bringt der ganzen Erde Gottes Heil und Huld. Die Verwendung der Pelikan-Symbolik bei Thomas von Aquin könnte mit der Legende des Franz von Assisi, 12 Jh., in Verbindung gebracht werden, welcher mit "Tieren reden konnte" und auch deshalb zum Schutzpatron der Tiere wurde.

 

 

 

 

 

St. Pankratius Kirche in Widecombe in the MoorAus dem 14. Jh. stammt die Kirche St. Pankratius in Widecombe-in-the-Moor. Ein Schluss-Stein im Kirchengewölbe zeigt das Pelikan-Symbol.

Die Kirche St. Pankratius ist bekannt als die „Kathedrale des Moores“, wohl wegen des 37 m hohen Turms und des für einen so kleinen Ort sehr großen Innenraums. Die Kirche wurde ursprünglich im 14. Jahrhundert im Stile der englischen Spätgotik mit dem bei Widecombe vorkommenden Granit erbaut. St. Pankratius wurde in den folgenden zwei Jahrhunderten immer wieder vergrößert, zum Teil mit den Einnahmen aus dem Zinnbergbau. Im Kircheninneren ist die dekorative Decke sehenswert, in der auch das Emblem der Zinnbergwerker, ein Ring aus drei Hasen (hier bekannt als „Tinner's Rabbits“) verewigt ist.

 

 

609579 hofer antikschmuck Antiker Siegelring der Renaissance aus Gold Grossbritannien um 1520 Aufopferungsvoll Kopie

AUFOPFERUNGSVOLL
ANTIKER SIEGELRING DER RENAISSANCE AUS GOLD, GROSSBRITANNIEN, 16. JHD
€ 11.900,00
 
Der Pelikan, so wussten die Gelehrten des Mittelalters, opfert sich selbst aus Liebe zu seinen Jungen. Er öffnet mit dem Schnabel die eigene Brust, lässt sein Blut auf seine toten Jungen tropfen und holt sie so wieder ins Leben zurück. Dies wurde allegorisch verstanden und in Bezug zum Opfertod Jesu gesetzt: Auch er blutet am Kreuz und bringt so die Erlösung der Menschheit vom Tode.

Der Pelikan wurde so schnell zu einem beliebten Wappentier für Städte und Gemeinden und besonders auch für geistliche Würdenträger. Einer der bekanntesten war der englische Bischof von Winchester, Richard Foxe, der unter anderem das Corpus Christi College an der Universität von Oxford gründete. Er wählte den Pelikan zum Wappen und noch heute steht vor dem College eine Sonnenuhr des 16. Jahrhunderts, welche ein Pelikan krönt. In der Folge verbreitete sich unter Geistlichen in Großbritannien der Pelikan rasch auch als Siegelbild, besonders unter solchen, die aus dem Bürgertum stammten und zuvor kein eigenes Wappen besessen hatten.

Der hier vorliegende Ring stammt aus Großbritannien und zeigt den seine Jungen nährenden Pelikan auf der Siegelfläche. Er ist im 16. Jahrhundert entstanden, wohl in der ersten Hälfte des Säkulums. Dies zeigt der Vergleich mit einem sehr ähnlichen Ring im Besitz des Victoria & Albert Museums in London, Inv. Nr. 792-1871. Die Form der Siegelfläche und die rahmenden Stichelgravuren und sind hier die schlagendsten Merkmale für eine etwa zeitgleiche Datierung.

 

BirthalmAus dem 17. Jahrhundert stammt die Grabplatte des Bischofs Franz Graffius, der Anfang 17. Jahrhundert in Birthälm, einer Gemeinde im Kreis Sibiu in der Region Siebenbürgen in Rumänien, beerdigt wurde. Deutlich ist darauf zu sehen, wie ein Pelikan sich seine Brust aufhackt und mit seinem Blute seine Brut nährt.

 

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Im "Keller" des Humboldt-Forums in Berlin findet sich ein Pelikan-Relief aus dem 13. Jahrhindert!

 

Ein paar Jahrhunderte später lassen die Frauenhofener gleich 2 Pelikane in ihrer neu erbauten Kirche landen:
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Heute, im 21. Jahrhundert, weiß man: Die weißen Pelikane haben manchmal ein rosa oder grau überhauchtes Gefieder; dieser Farbton kommt durch ein Sekret der Bürzeldrüse zustande. Wie kräftig der Farbton ist, steht in einem Zusammenhang mit den regionalen Ernährungsmöglichkeiten. Im Gesicht haben Pelikane unbefiederte Stellen, die zur Brutzeit leuchtende Farben annehmen können. Ganz junge Pelikane werden mit einem aus dem Kehlsack unterhalb des Schnabels ausgewürgten Nahrungsbrei aus gefangenen Fischen gefüttert.

Können wir Heutigen, die schreiben und lesen können, mit den alten Bildern und ihren Sinngebungen noch etwas anfangen? Schon, vielleicht, denn 'normale' Eltern kümmern sich liebevoll um ihre Kinder, aber 'unnormale' Eltern bieten ihre Kinder auch für schlimmste Vergehen an! Aber wenn in theologischen Aussagen schon auf diese Symbolik Bezug genommen wird, dann sollte unbedingt auf die wohl Jahrtausende alte Wurzel der Legende verwiesen werden.

Facit und Kommentar:

Die Legenden des fürsorglichen Pelikans und des strafenden Adlers werfen ein Schlaglicht darauf, was man Menschen in diesen längt vergangenen Zeiten erzählen konnte. Dass dabei Tieren menschliche Eigenschaften - grausam, fürsorglich - zugeschrieben worden sind kann man durchaus verstehen. Nur haben dieser Bilder außer ihrer kulturgeschichtlichen Dimension jede konkrete Bedeutung verloren und vermögen heutige Menschen - besonders junge - kaum mehr zu erreichen. Es besteht sogar Sorge, dass diese Erzählungen ohne ihren kulturgeschichtlichen Hintergrund abstoßend wirken. Somit ist die Bedeutung der seit vielleicht einer Generation überholten Erzählung vom 'fürsorglichen' Pelikan nur mehr kulturhistorisch vorhanden. Diese überholte Legende aber als "wunderbares Zeichen für Christus" anzubieten ist vielleicht eines der Mosiksteinchen, welches nach und nach aus dem eigentlich großartigen Bild des Menschen Jesus herausbricht.