Festschrift zur Orgelweihe in St. Jakob:

Ein königliches Instrument für die Königin

von Werner Schäfer

StJakobOrgelHauptFernwerk

 

„Die Straubinger Stifts- und Stadtpfarrkirche St. Jakob und St. Tiburtius ist in vielerlei Hinsicht die Königin unter den Kirchen Niederbayerns. Die spätgotische Architektur bietet gleichsam ein Gehäuse, die Hülle, für eine Fülle hochrangiger Kunstwerke aus den unterschiedlichsten Jahrhunderten. Die Jakobskirche wird so zum Kompendium der lokalen, überregionalen und bayerischen Kunstgeschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart.“ So würdigte der Münchner Kunsthistoriker Dr. Michael Schmidt, der den Restaurierungsprozess jahrelang als Denkmalpfleger engagiert und einfühlsam begleitete, in der Festschrift zum Abschluss der Gesamtrestaurierung im Jahr 2016 die päpstliche Basilika minor im Herzen Straubings. Aber in diesem Bauwerk von nationaler Bedeutung fehlte noch etwas: eine Orgel, die dem Rang der Kirche entsprach. Nun ist es endgültig soweit. Morgen wird Bischof Dr. Rudolf Voderholzer die gesamte neue Anlage aus Hauptorgel, Chororgel und Fernwerk in zwei Gottesdiensten in der Jakobskirche weihen und gleichzeitig den neuen Stadtpfarrer Monsignore Johannes Hofmann offiziell in sein Amt einführen.

 


Erinnerung und Erläuterung

Damit gelangt ein Weg an das hoch gesteckte Ziel, der vor fast dreißig Jahren beschritten wurde und jetzt zu einer Orgelanlage führte, die in der Diözese Regensburg an Größe neben die Orgeln im Dom zu Regensburg und in der Klosterkirche Waldsassen tritt und an musikalischer Bedeutung in die erste Reihe der Orgelwerke in Deutschland rückt. Anlass genug für die Kirchenstiftung St. Jakob und Stadtpfarrer Johannes Hofmann in der Nachfolge von Jakob Hofmann, diesem Weg und diesem Ereignis eine Festschrift zu widmen. Es ist sicherlich eine eher ungewöhnliche Publikation, die man streckenweise nicht einfach mal durchlesen kann, sondern die auch die Bereitschaft erforderlich macht, sich als Orgel-Laie auf bisher Unbekanntes einzulassen. Dann aber wird man erstaunen, ja eine gewisse Ehrfurcht empfinden gegenüber dem Geleisteten und dem, was in Zukunft in der Jakobskirche an musikalischen Klängen zu vernehmen ist.
Schon die Grußworte (Bischof Dr. Voderholzer, die Stadtpfarrer Jakob und Johannes Hofmann, Staatsminister Sibler und Oberbürgermeister Pannermayr) geben Einblick in das weite Feld von Geschichtlichem, Lokalem und Technischem, in das die Orgel der Stadtpfarrkirche St. Jakob und St. Tiburtius gestellt werden kann. Als Autoren gewann Schriftleiter Werner Schäfer den Orgelsachverständigen der Diözese Regensburg Gerhard Siegl, die Kirchenmusikerin von St. Jakob Annette Müller und den Architekten Michael Nadler. Es wirkten maßgeblich mit Jiri Kocourek, der Künstlerische Leiter von Eule-Orgelbau, Franz Schnieringer, der Straubinger Ausnahmemusiker und Musikwissenschaftler und Martin Schwendke, einer der unermüdlichen Mitarbeiter des Orgelbaufördervereins. Ulrich Schwendke und Alois Meixensperger lieferten eine Chronik des Vereins, wie man sie in dieser Vollständigkeit selten findet. Auch die zahlreichen Spender von Orgelpfeifen werden in der Schrift festgehalten. Das sehr ansprechende Layout besorgte wieder Margot Mittermeier, der Cl. Attenkofer’schen Buch- und Kunstdruckerei (Straubinger Tagblatt) oblag die Herstellung.
Schon beim ersten Durchblättern wird deutlich: Die Verantwortlichen in der Pfarrei St. Jakob und im ehemaligen Förderverein bewiesen mit der Wahl der Orgelbaufirma eine glückliche Hand. Die Hermann Eule – Orgelbau in Bautzen wurde im Jahr 1872 gegründet und gehört seitdem zu den wichtigsten Werkstätten in Sachsen, dem Land des Orgelbaus par excellence, das wesentliche Beiträge zur Aufnahme des deutschen Orgelbaus in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes erbrachte. Eule-Orgelbau überlebte auch die Jahre der Enteignung in der DDR zwischen 1972 und 1990 und ging nach der Vereinigung wieder in das Familieneigentum über. Alleine zwischen 1971 und 2005 entstanden in dieser Werkstatt 231 neue Orgeln, 43 historische Instrumente wurden restauriert. Danach und seitdem agiert Eule weltweit. Zu den vielen Aufträgen zählten z. B. die Musikhochschule Leipzig, die Kathedrale von Magdeburg, der Große Saal des Mozarteums in Salzburg, die Konstantinsbasilika in Trier, die Musikhochschule im dänischen Aarhus und das Konservatorium im chinesischen Xian und der Dresdner Kulturpalast.

 

Gestalt – Technik - Klang
Das Zusammenspiel von drei Faktoren ist für die Firma und ihre etwa 40 spezialisierten Mitarbeiter*innen grundlegend: das Sichtbare in Form der äußeren Gestalt, des Prospekts; die Technik der Orgel als das für den Organisten Fühlbare; der Klang, das für alle im Raum Hörbare. Anhand dieser drei Faktoren lassen sich die Faszination und die Wirkung bestimmen, die auch von der neuen Orgelanlage in St. Jakob ausgehen. Das Äußere der Hauptorgel bildet das neugotische Gehäuse auf der nach dem Stadtbrand von 1780 geschaffenen Orgelempore. Es entstand 1898 wie das Kirchengestühl in der Werkstatt des renommierten Holzschnitzers und Bildhauers Josef Elsner. Es ist mit Übernahme der Farbfassung von 1966, doch mit der ursprünglich schwungvolleren Anordnung der sichtbaren Pfeifen im fünfteiligen, mit dünnen Fialen bekrönten Prospekt, die Hülle für das Hauptwerk. Geblieben ist außerdem die Gedenkinschrift für Papst Pius X und das kleine Reliquiar.

StJakobOrgelChorwerk

Propekt der Chororgel
Foto: Werner Schäfer

Ganz neu ist dagegen das Gehäuse der Chororgel über der Sakristei an der Nordwand nach Entwurf des Dresdners Dr. Klaus Jürgen Schöler. Es fügt sich in idealer Weise in seine historische Umgebung mit Buntglasfenstern und Barockfresken ein, ohne die gebührende eigene Wertigkeit einzubüßen.
Rund vier Jahre dauerte der Prozess der Herstellung der neuen Orgel, von der Planung über die statische Ertüchtigung der Orgelempore und die Arbeiten in der Bautzener Werkstatt bis zum Einbau und dem langwierigen und mühevollen Vorgang der Intonation. Geduld auf allen Seiten war gefragt, die Corona-Pandemie war auch hier zeitweise hinderlich. Doch nun ist das Werk vollendet, noch dazu mit einer Besonderheit, die es bisher in Straubing nicht gab, einem Fernwerk in einem Gehäuse auf dem Dachboden über dem Heilig-Geist-Loch des Mittelschiffes. Gemessen an der Größe der Aufgabe waren vier Jahre nicht einmal zu lange. Die Orgelanlage kann von zwei Hauptspieltischen aus bedient werden, neben ganz viel Handwerkskunst kamen zum Teil neu entwickelte elektronische Systeme und Datenübertragungsträger zum Einsatz. Die Symphonische Windanlage enthält z.B. 19 Magazinbälgen und vier Windmaschinen. Insgesamt wurden 6.613 Pfeifen und 37 Klangplatten eingebaut.
Die Orgel von St. Jakob kann durchaus mit dem Klangkörper eines ganzen Symphonieorchesters verglichen werden und stellt sich mit ihrer enormen Variationsbreite in die Tradition des deutschen und des internationalen Orgelbaus. Sie ist ebenso angebunden an die berühmten Barockorgeln, die nicht zuletzt in Sachsen entstanden, wie an die Ideen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die spätromantischen Impulse des frühen 20. Jahrhunderts, die in den letzten 40 Jahren an Bedeutung zunahmen. Dabei besitzt die Straubinger Eule-Orgel jedoch ihre eigene Klanggestalt, die sie gegenüber anderen Großinstrumenten unverwechselbar erscheinen lässt. Es kommt wirklich alles zum Klingen: das wie Engelsgesang einherschwebende flüchtige Gespinst von Tönen ebenso wie das den Raum füllende Donnern einer gewaltigen Fülle von Klangkaskaden.

 

Ein langer Weg
Der lange Weg zur neuen Orgel spiegelt sich im Orgelbauförderverein St. Jakob wider, in einer „Erfolgsgeschichte engagierter Menschen“. Er begann in der Zeit von Stadtpfarrer Georg Dobmeier mit der Gründungsversammlung am 10. April 1991. Der Manager Peter Kilank wurde erster Vorsitzender. Ihm folgten Andreas Schneider und Veronika Behr. Diese leitete mehr als 18 Jahre lang mit ganzem Einsatz die Geschicke des Vereins bis zu ihrem Tod im November 2015. Mit Gerhard Henning ging es erfolgreich in die letzte, die entscheidende Phase der Vereinsgeschichte. Wohl selten war das Erreichen des Vereinsziels und damit die Auflösung des Vereins am 4. Dezember 2019 mit so viel Genugtuung verbunden wie beim Kirchenbauförderverein, besonders für Urgesteine wie Frau Haslbeck, Schatzmeister Alois Meixensperger, Ulrich und Martin Schwendke.
Das Durchhaltevermögen der Vereinsvorstände und der Vereinsmitglieder ist schon erstaunlich. Aber die Chronik des Vereins offenbart den nie erlahmenden Willen, durch Konzerte, Veranstaltungen und Aktionen das Vereinsziel nicht aus dem Auge zu verlieren. Fast 20 Jahre lang war dabei der „Stollen- Lebkuchen- und Punschverkauf“ Ende November bzw. Anfang Dezember ein auch finanzieller Höhepunkt des Vereinslebens. Bei der Auflösung konnte der Orgelbauförderverein die stolze Summe von knapp 610.000 Euro in die Orgelkasse einbringen. Allerdings sei durchaus betont, dass ohne das Engagement der Diözese Regensburg mit einem Zuschuss von gut 40 Prozent zu den Anschaffungskosten das große Gemeinschaftswerk von Kirche, Pfarrgemeinde und Gesellschaft wohl nicht so überzeugend zustande gekommen wäre.
Für die Festschrift oblag es besonders der Kirchenmusikerin und Organistin von St. Jakob Annette Müller, den Weg zu beschreiben, den sie an der Seite von Stadtpfarrer Jakob Hofmann seit Februar 2008 beschreiten durfte, begleitet z. B. von Gerhard Siegl, dem amtlichen Orgelsachverständigen der Diözese und Jiri Kocourek, dem künstlerischen Leiter der Werkstatt Eule. In ihrem Beitrag wird außerdem deutlich, dass die Entscheidung für eine Eule-Orgel nicht am grünen Tisch fiel, sondern nicht zuletzt das Ergebnis von Besichtigungen anderer Orgeln und einer ganzen Orgel-Rundreise einer stattlichen Gruppe von Gemeinde- und Vereinsmitgliedern war.

 

Zukunft aus Tradition
Die Eule-Orgel ist der vorläufige und wahrscheinlich dauernde Höhepunkt einer langen Geschichte von Orgeln und Orgelbau in der Pfarrei St. Jakob. In der Kirche selbst liegen die Anfänge im 15. Jahrhundert. In den anderen Gotteshäusern des heutigen Pfarrgebiets reicht das eine und andere Orgelwerk bis in das 18. Jahrhundert zurück. Nicht alles hat sich gut erhalten, aber doch vieles wie in Sossau, in Frauenbrünnl, Öberau, Kagers und auch noch in Unterzeitldorn. Der Geschichte der Orgeln und ihrer Erbauer und Restauratoren ist Franz Schnieringer mit bemerkenswerter Akribie nachgegangen. Damit wird die Festschrift auch zu einem Teil der Musik- und Kulturgeschichte Straubings. Und schließlich haben Annette Müller und Jiri Kocourek noch ein Orgel-Lexikon mit Bezug auf St. Jakob erstellt, das als Leitfaden für weitere Beschäftigung über den reinen Genuss für Ohr und Herz hinaus dienen kann.
Als Fazit bleibt der Wunsch von Oberbürgermeister Markus Pannermayr: „Möge uns nun die „Königin der Instrumente“ in der „Königin der Kirchen Niederbayerns“ viele Jahre und Jahrzehnte erfreuen und im Gesamtkunstwerk St. Jakob zur höheren Ehre Gottes vom Pianissimo bis zum Fortissimo erklingen.“

 

Vorstellung der Eule-Orgel in St. Jakob

Im April 2021 gab Stefan Frank, Leiter des Kammerchores Straubing und ein veritabler Organist, Einblicke in die im Herbst 2020 eingeweihte Orgel der Fa. Eule aus Bautzen. In diesem Video erläuterte er die Besonderheit der drei Prospekte, die Klangeigenschaften der etwa 100 Register, die Möglichkeiten der zwei Spieltische und gab auch Zugang zum Inneren der Orgel mit den faszinierenden technischen und handwerklichen Aspekten modernen Orgelbaues. Zum Schluss spielt Stefan Frank einen Auszug aus Julian Reubke (1834 - 1858) "The 94th Psalm" - Allegro.